Nichtvermittelbarkeit einer konfessionsfreien Sozialpädagogin
Als Frau E. erlebt, dass eines ihrer Kinder durch die religiöse Erziehung in einem staatlichen (!) Kindergarten starke Ängste entwickelt, beginnt sie sich für eine religionsfreie Erziehung ihrer Kinder einzusetzen; ein Recht, das ihr laut der im Grundgesetz verankerten Religionsfreiheit zusteht. Seitdem ist sie als Konfessionsfreie an ihrem Wohnort bekannt und wurde als solche immer wieder verbal angegriffen (sie wird in einer Rede als Atheistin diffamierend auf eine Stufe mit Hitler und Stalin gestellt und erhält anonyme Anrufe, mit der Frage „Ob sie sich denn noch wohlfühle an ihrem Ort“.)
Frau E. arbeitet in Probezeit als Sozialpädagogin bei einem privaten, nichtkirchlichen Träger in ihrer Gegend. Sie wird mit der Betreuung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings (K.) beauftragt, der in Kursen intensiv auf den Besuch eines Gymnasiums vorbereitet werden soll. Was wahrscheinlich in der Folge zum Verlust ihres Arbeitsplatzes führte: Dieses Projekt wird von einem kirchlichen Träger verantwortet.
Als Frau E. zu einer anderen fachlichen Einschätzung in Bezug auf K. gelangt, als der projektleitende kirchliche Träger, bricht der Kontakt ab. Ihr Arbeitgeber bittet die Schule und die Projekt-Verantwortliche mehrfach darum, sich zu melden um die verschiedenen Sichtweisen zu klären. Auch als Frau E. noch einmal per Mail direkt bei Schule und Träger nachfragt, warum sie nichts höre und ob alles in Ordnung sei, bekommt sie keine Antwort.
Im gleichen Zeitraum wird Frau E. während eines Betriebsessens darauf angesprochen, dass sie ja nicht in der Kirche sei, was sie denn daher so mache und ob sie „organisiert“ sei. Frau E. gibt Auskunft und wundert sich über diese Fragen, weil Religion und die Zugehörigkeit zu einer Konfession, bis zu diesem Zeitpunkt nie ein Thema in ihrer Arbeitsstelle war.
Als Frau E. ihre Vorgesetzen aufsucht, um die schwierige Kooperation mit dem Projektträger zu besprechen, wird sie unmittelbar auf ihre zu Ende gehende Probezeit angesprochen. Das überraschte sie, denn mit einer Kündigung in der Probezeit hatte sie aufgrund der positiven Resonanz gar nicht mehr gerechnet. Das Angebot eines anderen Arbeitgebers hatte sie abgelehnt, da sie sich in ihrem Team wohlfühlte und sogar eingeplant war, ihr den Aufbau einer ambulante Betreuung junger Geflüchteter als neues Arbeitsfeld zu übertragen. Das hatte sie als klare Anerkennung ihrer fachlichen Arbeit gesehen, Kritik oder Zweifel an ihrer Eignung wurden nie geäußert.
Drei Tage vor Ablauf ihrer Probezeit wird Frau E. betriebsbedingt gekündigt. Die Kündigung wird von Kolleginnen und den Vorgesetzten ihrer Einrichtung ausdrücklich bedauert. Frau E. stellt zwei Monate später fest, dass ihre Stelle in der gleichen Form wieder ausgeschrieben ist, es sich also nicht um eine betriebsbedingte Kündigung gehandelt haben kann.
Ohne offene Kommunikation über die Hintergründe lässt sich im Nachhinein nicht klar unterscheiden, ob die abweichende fachliche Einschätzung, oder die Konfessionslosigkeit von Frau E. den Ausschlag zur Kündigung in der Probezeit gaben. Da Frau E. ihren Arbeitsvertrag nicht mit der Caritas, sondern mit ihrem nichtkirchlichen Arbeitgeber geschlossen hatte, geht es bei diesem Fall nicht um das kirchliche Arbeitsrecht. Vielmehr wirft er ein Licht darau, wie die Caritas durch ihre Monopolstellung in der Region Einfluss auf den lokalen Arbeitsmarkt nehmen kann und, so ist die Vermutung, unerwünschte Personen gezielt fern hält. Über die Vergabe von Projektarbeit funktioniert das sogar über die Grenzen der kirchlichen Einrichtungen hinaus.
Staat und Gesellschaft nehmen die Dominanz der Kirchen im Sozialbereich offenbar wehrlos hin. Konfessionsfrei zu sein wird auch von der zuständigen Arbeitsagentur als persönlicher Makel betrachtet: Frau E. wird an eine spezielle Abteilung verwiesen, denn sie gilt in ihrer Gegend auf einmal als „nicht vermittelbar“, da sie keiner christlichen Kirche angehöre.