Kirchenaustritt mit ungeahnten Folgen
„Ich liebe meine Arbeit, deswegen tat mir das Ultimatum unglaublich weh. Ich kann nicht nachvollziehen, dass ein Arbeitgeber bestimmen kann, ob man Mitglied in einer Kirche ist oder nicht.“
Ein Mitarbeiter einer evangelischen Jugendhilfeeinrichtung, der aus der Katholischen Kirche austrat, ohne mit den Folgen des kirchlichen Arbeitsrechts zu rechnen
Die Kölner Bildzeitung schilderte den Fall eines 33-jährigen Pädagogen, der sich selbst weiterhin als religiös bezeichnet und mit folgender Begründung aus der Kirche austrat:
„Ich habe lange überlegt auszutreten, weil ich für mich festgestellt habe, dass die Katholische Kirche als Institution nicht die eigentliche christliche Botschaft vertritt. Außerdem stört mich der Umgang der Kirche mit den zahlreichen Mißbrauchsskandalen“.
Auch das kurz vorher publizierte EUGH-Urteil, in dem die Kündigung eines Chefarztes als verbotene Diskriminierung gewertet wurde, trug zu seinem Entschluss bei. Auswirkungen auf seinen Arbeitsvertrag konnte er sich nicht vorstellen.
Was ihm nicht bewusst war: Das kirchliche Arbeitsrecht macht die Kirchenmitgliedschaft nach wie vor zur Voraussetzung eines Arbeitsverhältnisses. Das gilt sogar, wenn ein Ex-Katholik in einer evangelischen Einrichtung arbeitet. „Gemäß §33 Abs. 5 BAT-KF stellt der Austritt aus der Kirche einen Grund für eine Kündigung dar“ zitiert die Zeitung eine Sprecherin des evangelischen Vereins, der im Diakonischen Werk Rheinland organisiert ist.
Mit einem Ultimatum forderte der Arbeitgeber den Pädagogen auf wieder in eine christliche Kirche einzutreten, sonst würde er den Job verlieren.
„Ich liebe meine Arbeit, deswegen tat mir das Ultimatum unglaublich weh. Ich kann nicht nachvollziehen, dass ein Arbeitgeber bestimmen kann, ob man Mitglied in einer Kirche ist oder nicht.
Ich werde unter diesen Umständen nicht wieder eintreten.“
GerDiA gegenüber berichtete der Betroffene, dass der Arbeitgeber in der Folge weitere mediale Aufmerksamkeit vermeiden wollte und einen Aufhebungsvertrag anstrebte. Noch dazu kam es zu einer erfreulichen Entwicklung:
„Nachdem die BILD am 25.02.2019 über den Fall berichtet hatte, hatte mich – in direkter Reaktion auf den Artikel – tags drauf ein „säkularer“, nicht-kirchlicher Träger zum Vorstellungsgespräch eingeladen (eine Geste, die mich in diesem Zusammenhang überaus erfreut hatte). Und nach diesem Vorstellungsgespräch habe ich eine pädagogische Stelle angeboten bekommen, die ich nun auch zeitnah antreten möchte. Denn der Träger wartet bereits darauf, dass ich „frei“ werde, so dass ich dort einsteigen kann. Vor diesem Hintergrund und weil mir wichtig ist, mich mit den Prinzipien und der Handlungsweise eines Trägers zu identifizieren, war auch mir eine zeitnahe Einigung mit dem bisherigen Arbeitgeber lieb. Dies also zum Stand der Dinge. Das interne Streitverfahren ist somit jüngst – auch formal – zum Abschluss gekommen.“
Aus säkularer Perspektive kann man vielleicht als Erfolg werten, dass kirchliche Träger zunehmend den öffentlichen Konflikt scheuen. Zustimmung und Verständnis für das Verhalten der kirchlichen Arbeitgeber schwinden angesichts solcher Fälle immer mehr. Letzlich bliebe die Kündigung aller Wahrscheinlichkeit nach trotzdem gültig, selbst wenn dagegen mit einer Kündigungsschutzklage vorgegangen worden wäre. Der „dritte Weg“, mit all seinen seltsamen Auswüchsen, ist gesetzlich geregelt und könnte von den kirchlichen Arbeitgebern rigide durchgesetzt werden. Lediglich der momentane Fachkräftemangel und die Befürchtung des Arbeitgebers ein schlechtes Bild in der Öffentlichkeit abzugeben, scheinen in diesem Fall dazu beigetragen zu haben, dass eine außergerichtliche Einigung erreicht werden konnte.